Aber trotzdem fällt es mir schwer, wieder Fuss zu fassen.
Täglich werde ich gefragt: Und? Bist du schon angekommen? Und immer antworte
ich mit: Jaja, es kommt langsam. Vor einem halben Jahr hätte ich behauptet,
einen Kulturschock gibt es doch nicht, das wäre Einbildung und weil ich mit
Kathrin unterwegs war die letzten drei Monate, hätte ich auch schon vieles
verdaut, doch da hatte ich mich mächtig getäuscht. Die Ankunft war wunderschön!
Einige Menschen am Flughafen und dann zu Hause bei meinen Eltern klingelte es
den ganzen Nachmittag / Abend wieder an der Türe und Leute schauten vorbei um
uns zu begrüssen. Vielen lieben Dank dafür! Alle Sorgen bezüglich nach Hause
kommen waren verschwunden. Die erste Fahrt durch die Gegend und der Besuch in
der Stadt Winterthur waren extrem eindrücklich. Meine Güte, hat sich da viel
verändert und doch ist so vieles ähnlich. Ich habe einmal mehr unglaublich fest
gestaunt über alles und nichts – über Dinge, die ich schon lange kenne und
eigentlich ganz „normal“ sind. In der Stadt habe ich – nein, das mach ich
eigentilch immer noch – die Menschen angestarrt! Haha, ich kanns mir auch nicht
erklären. Ich glotze sie einfach an. Menschen, die wegen irgendwas Kleinem
ausrufen, noch viel mehr! Zu Beginn – ja und auch jetzt noch manchmal – stehe
ich ziemlich neben den Schuhen. Am allermeisten dann, wenn viele Menschen auf
einem Haufen sind, oder wenn Druck auf mir lastet. Haha, zum Beispiel am 1.
August! Habe mit einer Freundin geplaudert und am nächsten Tag wusste ich nicht
mehr, ob sie mich für nächste Woche zum Mittagessen eingeladen, oder ob ich mir
das tatsächlich eingebildet hätte ;) Oder in jedem Gespräch – hauptsächlich
dann, wenn ich von Madagaskar erzähle, verliere ich irgendwann den Faden. Aber
so richtig – so, dass ich nichtmehr weiss, wovon wir überhaupt geredet haben –
unangenehmes Gefühl und Peinlich. How oder wenn Menschen was erzählen –
manchmal sogar, wenn ich nach etwas gefragt habe - schweife ich ab – weit weit
weg und vergesse dabei tatsächlich zuzuhören. Haha, also, wenn ich dich zweimal
das Selbe gefragt habe in den vergangenen Wochen, weisst du nun warum. Oft
sitze ich irgendwo am Tisch und bin still, staune tatsächlich immer noch über
so viele Dinge. Meine Freunde sagen immer: „Chrigi, was ist los? Warum schaust
du so?“ – dabei bin ich doch einfach so für mich zufrieden. ;) oder damit
beschäftigt Dinge zu verarbeiten. Ja, das „verarbeiten“ ist so ne Sache. Sollte
das nun nicht langsam aufhören? Bin doch nun wirklich schon lange hier. Wann
wird denn alles wieder „normal“ ? Es gibt so viele Situationen, da könnte ich
einfach losheulen – ohne Grund. Zum Beispiel, wenn jemand was schönes erzählt,
oder wenn ich etwas nicht mehr kann oder wenn jemand schimpft... Ja, ich merke,
irgendwie ist alles, was ich gesehen habe, immer noch so relevant. Ich kenne
„nur“ Madagaskar – ich brauche einen Vergleich! Deswegen habe ich meine Sachen
gepackt (haha, viel weniger „Gschmois“ als ich gestern an den Wettkampf
mitgeschleppt habe) und fahre heute an den Flughafen und steige dort in die
Maschine Richtung Indonesien – dort werde ich meinen Cousin besuchen – Martin,
ich freu mich auf dich - Ferien machen,
durchatmen und dann dieses Land bereisen. Dinge sehen, Dinge erleben und
Madagaskar verarbeiten. Vielleicht hilft es ja ;)
Was ich aus Madagaskar vermissen könnte, habe ich
eingepackt: 7kg Reis, 2kg Bohnen, 1,5kg Vanille, Kochutensilien und sonstige
Souvenirs... Mit einigen Madagassen pflege ich Kontakt via facebook – mit
anderen ist das leider nicht möglich... Wenn
mich Menschen fragen, ob ich gleich wieder zurück gehen möchte, muss ich das
immer verneinen. Nein, ich könnte es nicht. Im Moment, wo ich in Madagaskar
lebte, war vieles wunderbar, vieles so eindrücklich und nie hätte ich meine
Koffern packen und abbrechen wollen. Nun, wenn ich zurück blicke, muss ich
sagen, ich bin kaputt. Es ist traurig, wenn ich mir eingestehen muss, dass ich
nicht wirklich viele richtig gute Freunde gefunden habe, es ist traurig zu
erkennen, dass ich nicht mehr zurück gehen möchte – mindestens im Moment nicht
– ist das in deinen Augen ein schlechtes Zeichen? Heisst das, es hat mir nicht
gefallen? Wenn mich Leute danach fragen, finde ich die Worte selten für die
vielen Emotionen, die da mitspielen. Das Leben in Madagaskar war sooo
bereichernd! Keine Sekunde möchte ich missen! Und trotzdem möchte ich es nicht
nochmals machen? Ich bin unendlich stolz darauf, dass ich das geschafft habe. Ich
habe soo viel gelernt über eine fremde Kultur und auch über mich selber.
Vielleicht muss ich darauf gar keine Antwort finden – bin gespannt, wie ich in
zehn Jahren darüber reden werde...
Ja, meine Lieben, es ist Zeit – in einer Stunde muss ich auf
den Flughafen. Ich weiss noch nicht, ob ich in Indonesien die Möglichkeit habe,
mal nen Blog zu posten – wenn ja und wenn ich was spannendes zu erzählen habe –
werde ich das natürlich tun. Ich freue mich, dich im Oktober wieder zu sehen.
(Ich werde dann einen Zehnwochenkurs an der Bäuerinnenschule besuchen ;) )
Alles Liebe
Chrigi ;)
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