Montag, 15. September 2014

Selamat Pagi (Indonesisch guten Morgen - genau so ausgesprochen wie geschrieben)

(warum wird eigentlich nicht auf der ganzen Welt die gleiche Sprache gesprochen? Wenigstens bei all dem vielen verschiedenen „Chuderwälsch“ hätten sie sich doch einigen können

Staunen, Denken, Geniessen 


Ich bin nun seit einer Woche in Indonesien. Habe wie immer GEstaunt, GEgessen, GEschlafen, GElebt und diesmal auch ganz viele GEdanken verstanden. Es ist so spannend ein Land zu entdecken und es mit einem anderen als nur der Schweiz vergleichen zu können. Erst hier wird mir so vieles bewusst. Erst hier kann ich einige Dinge, die mich seit Madagaskar immer noch beschäftigen,  akzeptieren wie sie sind und erst hier gelingt es mir abzuschliessen  - zumindest teilweise.

Am ersten Tag in Ubud – ein kleines, sehr hübsches, aber durch und durch touristisches Städtchen auf der Insel Bali -  führte mich mein Cousin Martin durch die Gegend. (Wir sind mit dem Töffli unterwegs – heute, eine Woche später – überhole ich auch links und rechts und quetsch mich überall rein, wie das alle Indonesier machen – mai, das ist eine Freude!) Irgendwann wollten wir einen anscheinend sehr bekannten Weg durch die Reisfelder abschreiten. (Wunderschön diese Reisfelder hier! Wirklich unglaublich! Urs, ich weiss jetzt, was du gemeint hast!) Wir standen also etwas verloren an einer Kreuzung und wussten nicht wo es nun durchgehen sollte. Da kam eine Indonesierin und winkte mit der Hand in eine Richtung. Martin bedankte sich und ging los. Ich starrte die Frau an. „Martin, die Frau hat uns gerade geholfen ohne dass wir danach gefragt haben!“ Martin: „Ja, die Menschen hier auf Bali sind sooo lieb!“ – „Martin, die Frau wollte kein Geschenk haben dafür!!!“ ... und für mich dachte ich, dass es das noch gibt?
Am nächsten Tag war ich alleine unterwegs – wieder schlich ich durch Reisfelder. Ein alter Mann hielt an, fragte mich woher ich komme. Meine Haltung: Eher zurückgezogen. Was will der nun schon wieder von mir? Wie komme ich am schnellsten weiter? Nach ein, zwei weiteren Fragen reichte er mir die Hand, strahlte mich an, sagte: „Thank you!“ Und ging. Danke? Wofür denn? Dass ich mit dir geredet habe? Ich weiss, das sind „Alltagsgeschichten“  - sogar ganz normale – wie sie auch bei uns in der Schweiz vorkommen. Aber mir lassen sie das Herz höher schlagen. Der absolute Hammer war dann folgendes: Ich begleitete Martin ins Fitness – haha, ich lache selber – zumba, fitness, was kommt wohl als nächstes? twerking? (Never ever!) – anschliessend gingen wir mit seinen Freunden was essen. Wir probierten die verschiedenen Snacks aus. „Mmmh, sooo feine „Nüssli“ – die muss ich dann unbedingt nach Hause mitbringen.“ Zwei Tage später, gerade als ich von einem Zweitagesausflug ans Meer (nicht so schön) zurück kam, lag auf meinem Bett genau ein solches Pack. Anna hat es mir geschenkt und Martin mitgeben lassen. Einfach so! EINFACH SO! Soo schön!

Menschen mit viel Herz

Ja ich glaube, diese drei Begegnungen haben mich am meisten geprägt. Hoffentlich verändert Indonesien meine reflexartige abgeneigte Haltung wieder. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich hier in Ubud und unter Martins und Martinsfreundens Fittiche sehr in einer heilen Welt unterwegs bin. Trotzdem wäre es schön, das spontane Vertrauen in Menschen anderer Kulturen wieder zurück zu bekommen.
In Bali ist es anscheinend verboten zu betteln. Sie wollen nicht, dass die Touristen das mitbekommen, sie wissen, wie fest sie vom Tourismus abhängig sind. Krass, dass ganz wenige diese Sichtweise in Madagaskar vertreten. Woher kommt das wohl, dass einige das verstehen und andere nicht? Preisdiskussionen gibt es hier aber genau so – besonders für Touriakram. Nur bin ich hier nicht so empfindlich. Wahrscheinlich, weil ich es (noch) nicht persönlich nehme. Ohne Sprache macht verhandeln auch nur halb so viel Spass… Aber versuchen werde ich es trotzdem weiterhin.

Das letzte Wochenende wollten Martin und ich eigentlich auf den Gunung Agung steigen. Mit Glück im Unglück mussten wir das leider lassen, weil unser Hostel – das am nächsten vom Berg entfernt liegen sollte – das tatsächlich tat, nur leider auf der falschen Seite ;) Dafür genossen wir einen Tag mitten im Paradies! Von unserem Balkon sahen wir über ein riesiges Reisfeld. Sooo wunderschön! Während einem Spaziergang verirrten wir uns tatsächlich auf den Feldern und fanden aber dank Robin, dem Hund vom Hostel den Nachhauseweg wieder. Den Gunung Agung nehmen wir aber schon noch in Angriff. Vielleicht wenn ich von Java zurück bin. Morgen ziehe ich nämlich los. Ich weiss zwar noch nicht, ob es klappen wird. Habe mir mal einen Töfflitransport bis zur Bushaltestelle organisiert und hoffe, dass ich morgen irgendwie ein Ticket für die zwölfstündige Fahrt bekommen kann. (Haha, alle denken, ich wäre verrückt! Ich solle doch fliegen! Aber mit der Tatsache, dass jeder seinen eigenen Sitz bekommt – also pro Sitz eine Person! Das würde dann heisen: Auf einer Bankreihe von drei Sitzen würden nur drei Menschen sitzen! ;) -  und der Bus wäre sogar klimatisiert!  – Ja, da schreckt mich jetzt eigentlich nichts mehr ab.) In Java werde ich die Schwester von Utami, meiner Tante besuchen und das Land vor Ort erkunden. Es soll wunderschön sein. Später möchte ich eigentlich mit dem Zug nach Yogjakarta weiter. Aber wer weiss, was mir da noch alles in die Quere kommt. Bis jetzt habe ich meine Reisepläne schon ca. zehn Mal wieder über den Haufen geworfen. Das schöne ist ja, eigentlich spielt es keine Rolle, was man tut, es ist bestimmt spannend und lehrreich. Da könnte man sich gut auch ein Jahr niederlassen!  

Paradise on Earth 


***R1en ist wunderbar!***

Euch schicke ich ganz sonnige Grüsse – ich denke fest an euch!
Chrigi


Sonntag, 7. September 2014

Grüezi (schweizerdütsch und heisst so viel wie manaone oder salama tsara)

Man denkt ja, mit der Ankunft am Flughafen in der Schweiz endet eine Reise. Ich frage mich aber: Beginnt sie da nicht erst?! Den vergangenen Monat habe ich in einem Binnenland namens Schweiz verbracht. Es ist unglaublich sauber, Menschen sind so freundlich, es kommt IMMER warmes Wasser aus der Dusche! Die Kleider sind UND BLEIBEN weiss! Es gibt viel frische Milch und Badewannen gibt es! Badewannen, auf welche ich mich nun ein Jahr gefreut habe - sie aber bis jetzt noch nicht genutzt habe. In diesem Land ist es Abends soo lange hell. Und das Beste: Auch wenn es dunkel ist, darfst du dich auf der Gasse aufhalten. Du kannst durch die Strassen laufen und KEINER zeigt mit dem Finger auf dich und schreit dir „Vazahaaaa“ hinterher. Das Essen ist sooo vielfältig. Und wenn du in den Coop oder sonst einen Laden gehst sind alle Gestelle über und über gefüllt – für ein und dasselbe Produkt gibt es unzählig viel Auswahl – die Frau (oder der Mann) an der Kasse lassen den Preis nicht mit sich diskutieren – obwohl es saftige Preise wären. Umgerechnet in Ariaris – puuuh, ich hätte wohl einige Millionen durchgelassen. Die ersten beiden Wochen hatte ich einen Dauermuskelkater vom Sport, den ich endlich wieder aufnehmen konnte – dabei aber mächtig einschauen musste – tja... damit muss ich wohl leben. Ich habe Menschen getroffen – vielleicht auch dich – und mich riesig über die Begegnung gefreut! In den vergangen vier Wochen kam ich in den Genuss von so vielen lieben Worten, kleinen Gesten, Nachrichten oder Telefonate, es war wunderschön und ich danke dir von herzen dafür! Doch, ich kann tatsächlich behaupten: Home sweet home! & zu Haus ist es doch am Schönsten! Vieles hat mir gefehlt, am allermeisten meine Familie und meine Freunde! Aber um das zu erkennen, war es nötig, dass ich ein Jahr lang weg war.

Aber trotzdem fällt es mir schwer, wieder Fuss zu fassen. Täglich werde ich gefragt: Und? Bist du schon angekommen? Und immer antworte ich mit: Jaja, es kommt langsam. Vor einem halben Jahr hätte ich behauptet, einen Kulturschock gibt es doch nicht, das wäre Einbildung und weil ich mit Kathrin unterwegs war die letzten drei Monate, hätte ich auch schon vieles verdaut, doch da hatte ich mich mächtig getäuscht. Die Ankunft war wunderschön! Einige Menschen am Flughafen und dann zu Hause bei meinen Eltern klingelte es den ganzen Nachmittag / Abend wieder an der Türe und Leute schauten vorbei um uns zu begrüssen. Vielen lieben Dank dafür! Alle Sorgen bezüglich nach Hause kommen waren verschwunden. Die erste Fahrt durch die Gegend und der Besuch in der Stadt Winterthur waren extrem eindrücklich. Meine Güte, hat sich da viel verändert und doch ist so vieles ähnlich. Ich habe einmal mehr unglaublich fest gestaunt über alles und nichts – über Dinge, die ich schon lange kenne und eigentlich ganz „normal“ sind. In der Stadt habe ich – nein, das mach ich eigentilch immer noch – die Menschen angestarrt! Haha, ich kanns mir auch nicht erklären. Ich glotze sie einfach an. Menschen, die wegen irgendwas Kleinem ausrufen, noch viel mehr! Zu Beginn – ja und auch jetzt noch manchmal – stehe ich ziemlich neben den Schuhen. Am allermeisten dann, wenn viele Menschen auf einem Haufen sind, oder wenn Druck auf mir lastet. Haha, zum Beispiel am 1. August! Habe mit einer Freundin geplaudert und am nächsten Tag wusste ich nicht mehr, ob sie mich für nächste Woche zum Mittagessen eingeladen, oder ob ich mir das tatsächlich eingebildet hätte ;) Oder in jedem Gespräch – hauptsächlich dann, wenn ich von Madagaskar erzähle, verliere ich irgendwann den Faden. Aber so richtig – so, dass ich nichtmehr weiss, wovon wir überhaupt geredet haben – unangenehmes Gefühl und Peinlich. How oder wenn Menschen was erzählen – manchmal sogar, wenn ich nach etwas gefragt habe - schweife ich ab – weit weit weg und vergesse dabei tatsächlich zuzuhören. Haha, also, wenn ich dich zweimal das Selbe gefragt habe in den vergangenen Wochen, weisst du nun warum. Oft sitze ich irgendwo am Tisch und bin still, staune tatsächlich immer noch über so viele Dinge. Meine Freunde sagen immer: „Chrigi, was ist los? Warum schaust du so?“ – dabei bin ich doch einfach so für mich zufrieden. ;) oder damit beschäftigt Dinge zu verarbeiten. Ja, das „verarbeiten“ ist so ne Sache. Sollte das nun nicht langsam aufhören? Bin doch nun wirklich schon lange hier. Wann wird denn alles wieder „normal“ ? Es gibt so viele Situationen, da könnte ich einfach losheulen – ohne Grund. Zum Beispiel, wenn jemand was schönes erzählt, oder wenn ich etwas nicht mehr kann oder wenn jemand schimpft... Ja, ich merke, irgendwie ist alles, was ich gesehen habe, immer noch so relevant. Ich kenne „nur“ Madagaskar – ich brauche einen Vergleich! Deswegen habe ich meine Sachen gepackt (haha, viel weniger „Gschmois“ als ich gestern an den Wettkampf mitgeschleppt habe) und fahre heute an den Flughafen und steige dort in die Maschine Richtung Indonesien – dort werde ich meinen Cousin besuchen – Martin, ich freu mich auf dich  - Ferien machen, durchatmen und dann dieses Land bereisen. Dinge sehen, Dinge erleben und Madagaskar verarbeiten. Vielleicht hilft es ja ;)

Was ich aus Madagaskar vermissen könnte, habe ich eingepackt: 7kg Reis, 2kg Bohnen, 1,5kg Vanille, Kochutensilien und sonstige Souvenirs... Mit einigen Madagassen pflege ich Kontakt via facebook – mit anderen ist das leider nicht möglich...  Wenn mich Menschen fragen, ob ich gleich wieder zurück gehen möchte, muss ich das immer verneinen. Nein, ich könnte es nicht. Im Moment, wo ich in Madagaskar lebte, war vieles wunderbar, vieles so eindrücklich und nie hätte ich meine Koffern packen und abbrechen wollen. Nun, wenn ich zurück blicke, muss ich sagen, ich bin kaputt. Es ist traurig, wenn ich mir eingestehen muss, dass ich nicht wirklich viele richtig gute Freunde gefunden habe, es ist traurig zu erkennen, dass ich nicht mehr zurück gehen möchte – mindestens im Moment nicht – ist das in deinen Augen ein schlechtes Zeichen? Heisst das, es hat mir nicht gefallen? Wenn mich Leute danach fragen, finde ich die Worte selten für die vielen Emotionen, die da mitspielen. Das Leben in Madagaskar war sooo bereichernd! Keine Sekunde möchte ich missen! Und trotzdem möchte ich es nicht nochmals machen? Ich bin unendlich stolz darauf, dass ich das geschafft habe. Ich habe soo viel gelernt über eine fremde Kultur und auch über mich selber. Vielleicht muss ich darauf gar keine Antwort finden – bin gespannt, wie ich in zehn Jahren darüber reden werde...

Ja, meine Lieben, es ist Zeit – in einer Stunde muss ich auf den Flughafen. Ich weiss noch nicht, ob ich in Indonesien die Möglichkeit habe, mal nen Blog zu posten – wenn ja und wenn ich was spannendes zu erzählen habe – werde ich das natürlich tun. Ich freue mich, dich im Oktober wieder zu sehen. (Ich werde dann einen Zehnwochenkurs an der Bäuerinnenschule besuchen ;) )
Alles Liebe

Chrigi ;)